
03 Juni Thuner Sozialstern
Neuer Stern leuchtet über dem Emmental
SOZIALES ENGAGEMENT
«Arbeit ist die beste Therapie». Für Claude Müller, Inhaber der Bekag Kamine AG in Konolfingen, ist dies mehr als eine Floskel. In seinem Betrieb erhalten Mitmenschen die Chance, sich wieder in das Erwerbsleben zu integrieren.
Nein, gesucht habe er diese Auszeichnung nicht, sagt Claude Müller. Es freut ihn aber trotzdem, dass seine Firma, die Bekag Kamine AG in Konolfingen, im letzten Jahr den Thuner Sozial-Stern gewonnen hat. Der Bekanntheitsgrad seines Unternehmens sei dank dieser Sache noch grösser geworden, sagt der Firmeninhaber, «vor allem in der Region zwischen Thun und Bern.» Claude Müller, der gebürtige Seeländer, den die Liebe – seine Frau stammt aus Konolfingen – ins Emmental gezogen hat, ist nicht wegen der Produkte seiner Firma ausgezeichnet worden. So wie er in seinen gegenwärtigen Beruf hineingerutscht ist, hat es ihm mit seinem sozialen Engagement den Ärmel hineingezogen. Dies ist letztlich der Grund, wieso über dem Emmentaler Unternehmen der Oberländer Stern strahlt. Doch schön der Reihe nach.
In die Sache hineingerutscht
Statt Holz zu bearbeiten, sorgt der gelernte Zimmermann und Absolvent der Holzfachschule Biel heute dafür, dass dieses gut verbrennt. «Kaminbauer ist kein Beruf, der erlernt werden kann. Wer jedoch über handwerkliches Geschick verfügt, ist in der Branche nicht fehl am Platz.» Claude Müller hat sich vor 20 Jahren selbständig gemacht und die Bekag Kamine AG gegründet. Heute beschäftigt er 15 Mitarbeitende und sie sind längst nicht mehr nur ausschliesslich im Kaminbau tätig. Im Ausstellungsraum im «Sternen» Ursellen stehen neben den gedeckten Tischen verschiedene Cheminéeöfen. Es hat Bilder und Prospekte von Solaranlagen. «Wir sind auf dem Dach zuhause», begründet Claude Müller die Erweiterung seiner Firma um diesen Betriebszweig. «Vor 15 Jahren haben wir eine Stelle neu zu besetzen. Es hat sich unter anderen jemand gemeldet, der durch Unterstützung der Invalidenversicherung eine Wiedereingliederung ins Erwerbsleben suchte. Ich habe diese Person berücksichtigt und eingestellt und ihr eine Chance zu geben», sagt Müller. Es blieb nicht bei dieser einen Anstellung. «In all den Jahren haben wir seither 30 Leute ausgebildet.» Claude Müller sieht sich selber nicht als ausgesprochen sozialer Typ. Er bezeichnet sich vielmehr als ein Mensch, der das «nötige Gspüri» für seine Mitmenschen hat. «Es braucht ein geübtes Auge, um zu erkennen, was mit und in den Menschen geschieht. Ich erkenne, wann sie an ihre Grenzen stossen», zählt er Kriterien auf, die er sich «als Feldweibel » angeeignet hat – und die ihn heute auszeichnen. Er sei immer noch mit vielen seiner «Ehemaligen Praktikanten» in Kontakt: «Wenn ich von ihnen positive Rückmeldungen erhalte und erfahre, dass es mit dem Wiedereinstieg ins Erwerbsleben geklappt hat, sind das für mich besondere Erfolgsmomente und entschädigen einen für Vieles.»
«Zwischendurch braucht es Disziplin und Ausdauer»
Die «Sache», die Claude Müller den Gewinn des Thuner Sozial-Sterns beschert hat, sind Menschen. «Sie können aus den verschiedensten Gründen ihren erlernten Beruf nicht mehr ausüben. Vielfach sind sie wegen Unfällen, physischen oder psychischen Krankheiten, Allergien oder Burnout, gezwungen, sich beruflich neu auszurichten.» Die Invalidenversicherung (IV) vermittelt Claude Müller potenzielle Mitarbeitende. Diese müssten sich auf die offenen Stellen als Kauffrau oder Kaufmann in seiner Firma bewerben. Die Stellen seien immer sehr rasch besetzt, sagt Claude Müller: «Gegenwärtig sind es drei ‹Unfallopfer›, ein Zimmermann, ein Maler und ein Aussendienstmitarbeiter, die sich beruflich neu orientieren wollen und müssen.» Sie alle waren während Wochen, Monaten oder gar Jahren zur beruflichen Untätigkeit gezwungen. Bei der Bekag Kamine AG erhalten sie die Möglichkeit, behutsam und vor allem im Anfang, nicht unter zu grossem Leistungsdruck wieder Schritt zu fassen. «Sie müssen sich im Alltag der Berufswelt wieder selber zurechtfinden. Dies erfordert, die Grenzen zu definieren und gemeinsam ein Weg zum Ziel zu finden, um– die volle und von der IV unabhängige Erwerbstätigkeit – zu finden.» Claude Müller macht damit klar, dass er zwischendurch auch mal Disziplin und Ausdauer fordern muss.
«Ich kenne nichts mehr anderes»
Sehr wichtig ist für ihn die persönliche Betreuung dieser Mitarbeitenden – nicht nur bei der praktischen Arbeit im Betrieb. Mit Sonja Grossenbacher, einer Fachfrau im Coaching und Mentalem Training für Sportlerinnen und Sportler und Menschen aus dem Alltag, steht Claude Müller in diesem Bereich eine wertvolle Kraft zur Seite. «Mit einem gezielten Coaching werden die Berufsleute zu Erfolgserlebnissen geführt. Sie lernen, ihr Leben wieder neu zu Strukturieren und selber einen weg zum Ziel zu finden», sagt Claude Müller und erwähnt so nebenbei: «Was ich da von mir aus auf die Beine gestellt habe, will die IV nun ebenfalls vermehrt anwenden.» Für Claude Müller ist es eine Selbstverständlichkeit, dass er in seiner Firma weiterhin Arbeitsplätze dieser Ausbildungsart anbieten will, damit der Sozial-Stern nicht so schnell erblasst: «Ich kenne nichts mehr anderes. In meiner Firmenphilosophie steht der wirtschaftliche Gedanke zwar weit oben, aber nicht an erster Stelle.» Schliesslich könne es allen passieren, dass sie mit einem Schlag ihr Leben völlig umkrempeln müssten. Claude Müller wäre nicht Claude Müller, wenn er all den eingeheimsten Ruhm für sich alleine beanspruchen wollte. «Es braucht das ganze Team, damit wir diese Geschichte fortschreiben können. Ich bin stolz, dass mich dabei alle unterstützen, sich den Mehraufgaben stellen und den vermehrten Aufwand nicht scheuen.»
www.bekag-kamine.ch